… ein Beitrag von Alfred Wolter zum 800. Geburtstag der Stadt Anno Domini 2013.
Gemünd, die kleine mit Charme
Im Mündungsbereich von Olef und Urft haben Römer und fränkische Stämme Spuren hinterlassen. Doch erst im Jahre 1213 wird der Brückenort „Gemunde“, in dem die Römerstraße Köln-Reims in 325 m ü. NN zwischen dem „Hohen Schirm“ und der „Dreiborner Höhe“ den Bach und das Tal überwindet, schriftlich erwähnt.
1334 wird von einem Zollturm an der Brücke berichtet.
1425 wird ein Bildstock des heiligen Nikolaus genannt.
1459 bauten die Gemünder ihre erste Kapelle.
1490 werden dort 15 Hofstätten und in Malsbenden 4 Hofstätten gezählt.
Gemäß ihren Abgaben waren sie gut gestellt. Die Herren von Mauel waren schon recht wohlhabend, ihre Güter reichten bis in das Eifelvorland.
1657 wird die Kapelle in Gemünd zur Filialgemeinde der Pfarre Olef erhoben. Seit 1803 besteht dort die Pfarre zum heiligen Nikolaus. Die heutige Kirche wurde 1866 geweiht. Der Ort war bis zum Jahre 1798 teils der Herrschaft Dreiborn und teils dem Herzogtum Jülich abgabepflichtig und hatte dadurch bedingt zwei Bürgermeister.
Die Gemünder Bürgerschützen stehen in der Tradition der 1699 in der Herrschaft Dreiborn gegründeten St. Georg Schützenbruderschaft. Das Schützenbuch ist die älteste Auflistung von Personen in der heutigen Stadt Schleiden.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts war Gemünd Zufluchtsort für die Lutheraner des Schleidener Tales. Zu diesen Protestanten gehörten viele Hüttenmeister der damals florierenden Eisenindustrie.
Auf dem alten evangelischen Friedhof findet man noch ihre Grabsteine, darunter den Grabstein von Bungard Matte, gestorben im Jahre 1694. 1665 schenkte er als Schöffe der Herrlichkeit Dreiborn der lutherischen Gemeinde das Grundstück, auf dem im gleichen Jahre mit dem Bau der evangelisch lutherischen Kirche begonnen wurde.
In und um Gemünd befinden sich um 1750 Lohmühlen, Schneidmühlen, Ölmühlen, Mehlmühlen und 5 Eisenerzgruben.
In der französischen Zeit der Rheinlande bestand seit 1798 die französische Verwaltung. Gemünd war Hauptort eines Kantons. Kantonkommissar war Reichsritter Baron Clemens Wenzelaus von Harff auf Burg Dreiborn. Durch das am 21. April 1810 erlassene Berggesetz gelangte Gemünd zu Wohlstand. Schmelzöfen und Eisenhämmer wurden errichtet.
Nach den Franzosen kamen 1815 die Preußen. Der Kreis Gemünd entstand. Der Kreis hatte 16.197 Einwohner. Gemünd hatte 1.079 Einwohner und war der volkreichste Ort des Kreises, mit drei Kirchen (katholisch, lutherisch, reformiert). Es waren ein Arresthaus und eine Gendarmeriekaserne vorhanden. Von den 230 Häusern der Stadt waren nur 16 massiv gebaut. 41 Häuser waren mit Schiefer gedeckt, bei den anderen handelte es sich um mit Stroh gedeckte Fachwerkhäuser. Im Ort waren 148 kleine landwirtschaftliche Betriebe. An Vieh zählte man 35 Pferde, 284 Stück Rindvieh, 392 Schafe, 7 Ziegen und 55 Schweine.
Es war damals überall üblich, dass sich der Misthaufen vor der Haustür befand. In den engen Nebenstraßen waren die Mistplätze teils auf der Straße, so dass nur ein schmaler Durchgang für Passanten blieb. Laternen und öffentliche Brunnen waren unbekannt. Die meisten Einwohner schöpften ihr Trinkwasser aus dem Bach.
4 Gerbereien, 2 Eisenhütten, 4 Brauereien, 10 Bäcker, 19 Fuhrleute mit 23 Pferden, 6 Schneider, 6 Schuhmacher, 2 Stellmacher 19 Handelshäuser, 3 Schmiede, 7 Schreiner und noch andere Berufe wurden damals aufgelistet. Eine Apotheke, ein Arzt und ein Wundarzt waren im Ort.
Am 20.1.1826 bekam Gemünd das Recht, für den Landtag im Stand der Städte zu wählen. 1828 wurde der Kreis Gemünd in Kreis Schleiden umbenannt. Die Stadtrechte wurden Gemünd am 4.9.1856 verliehen.
In Gemünd und Malsbenden wohnten 61 Juden, 1873 bauten sie eine Synagoge. 1933 lebten nach meinem heutigen Wissen in Gemünd nur noch 34 Juden.
Der jüdische Friedhof, der zweitgrößte im Kreis Schleiden, erinnert an eine Zeit, als nachweislich Menschen aller Konfessionen in Gemünd in gutnachbarlichen Verhältnissen lebten. Die Verbrechen an den Juden in der Nazizeit machten das Zusammenleben unmöglich.
Die französische Revolution von 1848 ging auch an Gemünd nicht spurlos vorüber: Es kam zu Pöbeleien. Jungendliche drangen in die Häuser unbeliebter Bürger ein. Man forderte die Abdankung des Bürgermeisters und schrie: „Freiheit, Gleichheit, Republik! Wären wir doch die Preußen quitt!“ Zum Schutze des Eigentums wurde eine Bürgergarde gegründet. Unter ihrem Kommandanten Forstmeister Kauhlen bewaffneten sich 158 Bürger mit Gewehren, diese wurden aus dem Königlichen Artillerie-Depot in Köln entliehen. Mit dem Abklingen der revolutionären Stimmung schlief die Bürgergarde ein. Allerdings hatten mit der „Pressefreiheit“, die Gemünder eine eigene Zeitung bekommen.
Am 25.8.1851 Großbrand in Gemünd: 42 Wohnhäuser und 62 Ställe und Scheunen, hauptsächlich in der Dreibornerstraße, wurden völlig zerstört. Im Jahre 1854 war die Straße wieder aufgebaut und die neue Schule wurde dort eingeweiht.
Seit dem Jahre 1884 hat Gemünd einen Bahnanschluss, dieser kam für die dort gut gehende Eisenindustrie zu spät, über 500 Menschen verloren ihren Arbeitsplätze, als die Röhrenwerke in Mauel 1860 nach Düsseldorf verlegt wurden.
Von 1867–1893 war an der Urft 4 km westlich der Ortsmitte eine Pulvermühle. Das Pulver wurde hauptsächlich nach Lüttich geliefert. Das war auf den holperigen Wegen gefährlich. Ein Polizist ging 10 Meter vor dem von drei Ochsen gezogenen Pulverwagen und machte entgegenkommende Fuhrleute darauf aufmerksam, stehen zu bleiben und die Tabakpfeife auszumachen.
1892 brannten in Malsbenden 34 Häuser bis auf die Grundmauern ab.
Nach 1905 entwickelte sich Gemünd zur Perle an der größten Talsperre Europas. Der Fremdenverkehr boomte (vgl. F.A. Heinen, Uftseetourismus früher). Man hatte einen Verschönerungsverein gegründet, welcher 1888 im Eifelverein aufging.
1914–1918 machte der erste Weltkrieg viele Hoffnungen zunichte. Nach dem Krieg wurde Gemünd zu einem bekannten Luftkurort. Kurhaus und Kurpark waren vorhanden. Bald aber machten die Nazis in Gemünd ihren verbrecherischen Einfluss geltend, welches viele zu spät erkannten.
Der zweite Weltkrieg brachte Zerstörung, Not und Tod! Als der Spuk vorbei war, bauten die Gemünder ihre Stadt wieder auf. Der Ort konnte sich wieder gut sehen lassen. Als Logo warb bald die „Kleine mit Charme“ für den Kneippkurort Gemünd. Doch so schön wie heute, an ihrem 800. Geburtstag, war „die Kleine mit Charme“ noch nie.
Quellen:Archiv Harff, Kirchenarchiv Dreiborn, Rheinischer Städteatlas Gemünd, Aufzeichnungen von Studienrat Günter und Tillmann Müller