Stolpersteine 2015, ein Beitrag von F.A. Heinen

In mehrfacher Hinsicht unterschied sich die am Donnerstag, 23. April, in würdigem Rahmen in Gemünd, Wolfgarten und Morsbach stattgefundene Verlegung weiterer Stolpersteine zur Erinnerung an Opfer nationalsozialistischer Gewaltpolitik von früheren Veranstaltungen dieser Art.

Erstmals wurden beispielsweise auch zwei Namenssteine nicht-jüdischer Opfer verlegt. Beim Auftakt der vom Gemünder Arbeitskreis Stolpersteine vorbereiteten Gedenkveranstaltung vor der Alten Schule in Gemünd begrüßte Bürgermeister Udo Meister die Teilnehmer, zu denen auch ein Projektkurs des Städtischen Gymnasiums und der Realschule Schleiden mit den Lehrerinnen Heike Schumacher und Felicitas Müller gehörten. Ein besonders herzliches Willkommen galt Hanna Zack, verheiratete Miley, und ihrem Mann George. Sie waren eigens früher als geplant aus den USA in die Eifel gekommen. Frau Miley war bereits beim Gemünder Stadtjubiläum 2013 die Schirmherrin gewesen. Sie ist eine in Gemünd geborene Holocaust-Überlebende, ihre Familie und Freunde starben in den Tötungsfabriken im Osten.

Es handelte sich bereits um die dritte Verlegung von Erinnerungssteinen durch diesen Arbeitskreis. Nachdem erstmals beim Stadtjubiläum 2013 in Gemünd diese Form des Gedenkens mit dem Künstler Gunter Demnig praktiziert worden war, hatte der Arbeitskreis seine Forschungen nach den Schicksalen weiterer ehemaliger Gemünder Juden intensiv fortgesetzt. Das führte 2014 zur zweiten Verlegung von Gedenksteinen. Zu der jetzigen dritten Verlegung von Stolpersteinen unter tatkräftiger Mithilfe der Stadt, insbesondere von Adreas Glodowski und dem Bauhof, die am Kunstforum an der Dreiborner Straße begann, waren wieder zahlreiche Bürger und Akteure aus der regionalen Gedenkszene gekommen. Zu ihnen gesellten sich auch einige Nachfahren und andere Verwandte der Opfer.

Für zehn der aus rassistischen Motiven heraus im Nationalsozialismus ermordeten jüdischen Opfer wurden durch den Künstler Gunter Demnig in Gemünd Gedenksteine verlegt: Neun an der Dreiborner Straße und einer in Mauel. Erstmals gedachte der Arbeitskreis auch zwei nicht-jüdischer Opfer. An der Dorflinde in Wolfgarten wurde für den aus Köln in den Ort geflohenen angeblich homosexuellen und politisch oppositionellen Karl Bonaszewski ein Stein verlegt. An Maria Daniel aus Morsbach, ein Euthanasie-Opfer, erinnert nun ebenfalls ein Stein.

Georg Toporowsky, Sprecher des veranstaltenden Arbeitskreises, verwies bei seiner Begrüßung darauf, dass heute, gerade 70 Jahre nach der Befreiung der Vernichtungs- und Konzentrationslager durch die Alliierten, schon wieder 60 Prozent aller Deutschen dazu neigten, einen ‚Schlussstrich‘ unter diese düstere Geschichte zu ziehen. Toporowsky stellte die vielzitierte These dagegen: „Ohne Auschwitz ist kein Deutschland möglich. Das war viel mehr als ein geschichtliches Ereignis unter vielen. Das war einmalig.“ Dabei gehe es gar nicht um eine Schuldzuweisung. Die Stolpersteine sollen vielmehr dazu beitragen, dass die Geschichte der Opfer aus der Region nicht verdrängt würde. Es gehe darum, „diese Opfer zurückzuholen in unsere Mitte“. Es sei beschämend, wie wenig schon jetzt über die Opfer überhaupt noch in Erfahrung gebracht werden konnte: „Sie sind aus dem Gedächtnis bereits getilgt.“ Es ist den intensiven Forschungen von Norbert Stoffers zu verdanken, dass dennoch so viele Detailinformationen insbesondere zu den jüdischen Opfern zutage kamen.

Bürgermeister Udo Meister dankte vor allem der anwesenden Hanna Miley: „Sie, Hanna, geben uns die Kraft, auf dem gemeinsamen Weg der Versöhnung voranzuschreiten.“ Die Stadt habe sich seit dem Jubiläum 2013 dem Thema gestellt. Der Künstler Gunter Demnig berichtete, dass die Stolpersteine für ihn zunächst eher „reine Konzeptkunst“ gewesen seien. Nachdem er nun zwischen Norwegen und Süditalien mehr als 52.000 Stolpersteine verlegt habe und im September in Saloniki in Griechenland ebenfalls Steine verlegt werden, hätten die Steine für ihn auch eine ganz andere Bedeutung gewonnen: „Stolpersteine sind auch eine Art Schlusssteine.“

Die nachfolgenden biografischen Angaben zu den Opfern, für die nun Stolpersteine verlegt wurden, fußen auf den Forschungen des Arbeitskreises Stolpersteine Gemünd, die Georg Toporowsky ausformulierte. Die Darstellungsweise soll keine Wertung der Opfer vornehmen, sondern klar aufzeigen, dass es im Nationalsozialismus viele höchst unterschiedliche Opfergruppen gab: jüdische Opfer nationalsozialistischen Rassenwahns, Opfer im Rahmen des gnadenlosen Euthanasieprogramms ebenso wie Opfer im Rahmen der Verfolgung politisch Oppositioneller und Homosexueller. Es soll deutlich gemacht werden, dass buchstäblich jeder unter den Verfolgungsdruck des Regimes geraten konnte, der nicht in die nationalsozialistische Fiktion einer einheitlichen ‚Volksgemeinschaft‘ passte. Nicht selten gab es auch Fälle wie den unten dargestellten Karl Bonaszewski, bei dem heute mangels eindeutiger Quellenlage überhaupt nicht mehr abschließend ermittelt werden kann, weswegen genau er ins Visier des nationalsozialistischen Terrorapparates geriet: War er, wie die Familienlegende besagt, in der politischen Opposition aktiv und wurde deshalb verfolgt, oder hatte er gegen den im Nationalsozialismus noch einmal verschärften, aber heute abgeschafften ‚Schwulenparagraf‘ 175 verstoßen? Anhand der vorliegenden Quellen lässt sich die Frage nicht abschließend beantworten. So oder so steht aber fest, dass Karl Bonaszewski ebenso wie das Euthanasieopfer Maria Daniel und die zehn jüdischen Opfer gleichermaßen zu Opfern nationalsozialistischer Gewaltpolitik wurden.

Jüdische Opfer: Für insgesamt zehn jüdische Opfer aus Gemünd wurden zunächst Stolpersteine verlegt. Sie wurden aus rassistischen Gründen verfolgt und ermordet. Es handelte sich dabei im Einzelnen um Hedwig Brück, geb. in Gemünd-Mauel am 17 Mai 1892 als Tochter der Maueler Unternehmerfamilie Alois Brück und Eleonore Löwenthal. Die Brücks betrieben eine Fabrik in Mauel. Eine Schwester Hedwig Brücks war Emma Brück (geb. 10. Juli 1894 in Mauel, verst. ca. 1937 in Berlin). Am Beispiel von Hedwig Brück zeigt sich exemplarisch, in welchem Ausmaß die ehemals mitten in der lokalen Gesellschaft etablierten Gemünder Juden bereits dem Vergessen anheimgefallen sind. Zwar liegt dem Arbeitskreis die Geburtsurkunde vor, aber die damalige Hausnummer bzw. Straße in Mauel waren nicht mehr zu ermitteln. Hedwig Brück ist laut dem Gedenkbuch „Opfer der Verfolgung der Juden 1933 – 1945“ im Bundesarchiv Koblenz „verschollen, Auschwitz“.[1]

Auch die Gemünder Familie Haas, zuletzt wohnhaft Dreiborner Str., heute Nr. 13 (Haus Görres), davor wohnhaft in Schleiden, Blumenthaler Str.. Josef (Joseph) Haas (geb. 19. März 1882 in Schleiden) war ein Sohn von David Haas und Henriette, geb. Bock. Die Familie betrieb eine Viehhandlung, Josef war ein Zwillingsbruder von Leo Haas, ermordet wurde er im heutigen weißrussischen Gebiet.[2] Ein weiteres Opfer aus Gemünd war Else Paula (Sara) Haas, geb. Meyer (oder Meier, geb. am 28. Februar 1898 in Gemünd als Tochter von Levy und Eva Meyer geb. Appel. Nach Inhaftierung in Niederbardenberg und Bardenberg/ Zwangsarbeitslager wurde sie 1942 zunächst nach Theresienstadt deportiert, dann nach Minsk und ermordet in Maly Trostinec/Tötungsstätte.[3]

Doris Haas (geb.10. März 1922 in Gemünd) wurde ebenfalls inhaftiert zunächst

in Bardenberg/Zwangsarbeitslager und ab Köln am 20. Juli.1942 zunächst nach Theresienstadt und von dort weiter nach Minsk zur Tötung in Maly Trostinec verschleppt.[4] Edith Haas (geb. am 20. Mai 1927 in Gemünd) wurde wie ihre restliche Familie erst nach Bardenberg und dann über Köln am 20. Juli 1942 nach Minsk verschleppt und in Maly Trostinec ermordet.[5] An Josef, Else, Doris und Edith Haas erinnern nun Stolpersteine an der Dreiborner Straße 13.

Auch die jüdische Familie Scheyer war in Gemünd fest verankert. Es handelte sich um den Vater Jacob Scheyer, seine zweite Ehefrau Johanna Scheyer, geborene Berlin (geb. am 5. April 1856 in Meckenheim, gest. am 4. Mai.1942), zuletzt wohnhaft im Haus Dreiborner Str. 172, heute 27. Beide sind auf dem jüdischen Friedhof in Gemünd begraben, Johanna Scheyer war die Letzte, die auf diesem Friedhof beerdigt wurde. Kinder der Familie Scheyer waren Emilie (Ella) verh. Zack geb. Scheyer (geb. 10. Mai 1892 in Gemünd, wohnhaft Köln und zuletzt in Hameln ?).[6] Leo (Levy geb. 16. Februar 1885 in Gemünd, gest. in Dortmund bei einem Bombenangriff.) Weiteres nicht bekannt. Ida Daniel, geb. Scheyer (geb. 1. Oktober 1880 in Gemünd, Heirat am 4. Juni 1909 mit Michael Daniel aus Drove, Religionslehrer). Wohnorte waren neben Gemünd auch Schlochau (Westpreußen) und Euskirchen. Deportierung über Koblenz-Köln-Düsseldorf am 15. Juni 1942 nach Sobibor ins Vernichtungslager. Ihre Eltern waren Jacob und Sibille Scheyer, geb. Wolff.[7] Ida selbst wurde mit ihrem Ehemann im Holocaust ermordet: Nach der Deportation am 13. Juni 1942 nach Theresienstadt starb sie schließlich nach Angaben der Tochter in Auschwitz.[8] Das Beispiel von Ida verweist exemplarisch auf die Problematik des Vergessen-Werdens als Folge des Genozids. Die vorhandenen Spuren und Quellen wurden von den Tätern verwischt und vernichtet. Buchstäblich nichts mehr sollte schließlich an die ehemalige jüdische Bevölkerung und die weiteren Opfer erinnern. Das weitgehend spurlose Verschwinden der Opfer vollzog sich in den vergangenen Jahrzehnten jedoch nicht nur an den Tatorten, sondern auch in den Heimatgemeinden. Auch hier sorgte die Zeit dafür, dass selbst so wesentliche Angaben wie die genauen Wohnsitze in Einzelfällen kaum noch zu ermitteln waren.

Weitere Angehöriger der Familie Scheyer waren Siegmund Scheyer (geb. 9. August 1886 in Gemünd, gest. 29. März 1964 in Dortmund)[9] und Theresia (geb. 24. Oktober 1882 in Gemünd), verh. am 14. Februar 1908 mit dem Metzgermeister Adolf Mayer und später mit Max Grüneberg.[10]

Auch drei Angehörige der Gemünder Familie Kaufmann wurden im Holocaust ermordet: Julius Kaufmann (geb.12. Februar 1915 in Gemünd), wohnhaft in Gemünd, Emigration nach Frankreich. In der deutschen Besatzungszeit ab Drancy am 2. September.1942 deportiert nach Auschwitz ins Vernichtungslager. Zu seiner Zwillingsschwester Ruth Kaufmann (geb. 13. Februar 1915 in Gemünd) findet sich kein Eintrag im Bundesgedenkbuch. Leopold Kaufmann (geb. 20. Februar 1918 in Gemünd), wohnhaft in Gemünd, gelang zunächst die Emigration nach Frankreich 1940, ab Drancy am 26. August 1942 Deportation nach Auschwitz ins Vernichtungslager.

Nichtjüdische Opfer:  Karl Bonaszewski wurde am 31. Juli 1913 in Köln-Ehrenfeld geboren. _BonaszewskiEr blieb ledig, arbeitete zeitweilig als Etuimacher, musste sich aber auch immer wieder arbeitslos melden. In den 30er Jahren war er nach Auskunft der Familie Mitglied in der KPD, sogar im Vorstand der kommunistischen Jugend. Dokumentiert ist lediglich seine Leidenszeit in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern. Aus dieser Zeit stammen auch einige Briefe Karls, die der Familie erhalten sind.

Sein Schwager fand nach langer Arbeitslosigkeit im April 1936 eine Arbeit als Kammergehilfe in Vogelsang. Diesem gelang es dann auch, Karl Bonaszewski Ende der 30er Jahre eine Stelle vermutlich bei einem Landwirt in der Gegend zu vermitteln. Warum Karl Bonaszewski von Köln ausgerechnet nach Wolfgarten zog, wo er bei seiner Schwester und deren Mann in der Dorfstraße 17 wohnte, wissen wir nicht. War er wegen seiner politischen oppositionellen Aktivitäten ins Blickfeld der Nationalsozialisten geraten oder war er vielleicht in Köln wegen homosexueller Neigungen ins Visier der Häscher geraten? Oder dienten angebliche sexuelle Verfehlungen im späteren Prozess nur als Vorwand, um einen Oppositionellen auf scheinlegale Weise kaltzustellen? Wir wissen es ebenso wenig wie vieles andere aus seinem Leben in Freiheit.

Fest steht lediglich, dass Karl Bonaszewski 1939 verhaftet und am 9. August des Jahres wegen ‚homosexueller Unzucht‘ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde.[11] Am 11. März 1942 wurde er als Häftling vom Gefängnis Koblenz zum Gefängnis Siegburg und am 23. April 1942 zum Polizeigefängnis Aachen überführt. Nachdem er seine Strafe wegen seiner Homosexualität verbüßt hatte, wurde er jedoch nicht in Freiheit entlassen, sondern zur weiteren ‚Behandlung‘ der Polizei übergeben. Auf Anweisung der Kriminalpolizei Aachen wurde der damals 29-Jährige am 7. Juni 1943 zur Zwangsarbeit als Hilfsarbeiter in das KZ Natzweiler, Außenlager Oberehnheim, heute Obernai im Elsass, gebracht, wo er mit der Kennzeichnung §175 als Häftling Nr. 3981 geführt wurde.[12]

Im KZ Natzweiler wurde 1944 eine Karteikarte von ihm für das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt in Berlin erstellt, das mit Hilfe von IBM-Computern versuchte, den Arbeitseinsatz der KZ-Häftlinge zu optimieren. Auf dieser Karte war allerdings nicht mehr sein Name vermerkt: Der Mensch Karl Bonaszewski war zur bloßen Nummer reduziert. Vermutlich weil die alliierten Truppen heranrückten, kam er am 25. oder 30. September 1944 in das KZ Dachau, wo er ebenfalls als Homosexueller eingestuft wurde und die Nr. 112.475 erhielt. Bereits am 22. Oktober 1944 führte sein Leidensweg weiter in das KZ Neuengamme bei Hamburg, wo er wieder schwere Zwangsarbeit als Hilfsarbeiter leisten musste und nun die Nr. 61.723 erhielt. Juden, Homosexuelle sowie Roma und Sinti waren die Häftlinge, die am häufigsten und schwersten unter den Martern und Schlägen der SS und Capos zu leiden hatten.[13]

Im April 1945 näherten sich die Alliierten Norddeutschland. Nun hatte SS-Chef Heinrich Himmler den Befehl erteilt, dass die KZ-Häftlinge beim militärischen Rückzug nicht zurückgelassen werden dürften. Das Hauptlager des KZ Neuengamme wurde von der SS ‚evakuiert‘. Der Begriff ‚Evakuierung‘ in der Sprache der Handlanger der Vernichtungspolitik des Regimes war vielfach gleichbedeutend mit der Tötung.[14] Die 9.000 Insassen des KZ Neuengamme wurden am 20. April 1945 zu Fuß in ‚Todesmärschen‘, bei denen zahllose Opfer zu beklagen waren, oder in Güterwagen zu den Lübecker Häfen gebracht. Dort beschlagnahmte der Gauleiter von Hamburg, Karl Kaufmann, Schiffe, die mit über 9000 Häftlingen beladen wurden. Zusammengedrängt in den Laderäumen litten die Häftlinge an Hunger, Durst und Krankheiten, viele starben. Gefangene, die sich bei einem Ausbruchversuch an Land retten konnten, wurden dort vielfach von SS- und Volkssturm-Angehörigen erschossen. Bei einem britischen Luftangriff am 3. Mai 1945, der mögliche Absetzbewegungen deutscher Truppenteile über die Ostsee verhindern sollte, gerieten zwei der Schiffe in Brand: die ‚Cap Arcona‘ und die ‚Thielbek‘. Nahezu 7000 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme verbrannten bei der Katastrophe, sie ertranken oder wurden beim Versuch, sich zu retten, erschossen. Nur 450 überlebten. Die Toten wurden an den Stränden der Ostsee beiderseits der späteren Zonengrenze angeschwemmt und bestattet.

Sehr wahrscheinlich kam auch Karl Bonaszewski auf einem der Schiffe um. Der Tageszeitung ‚Lübecker Freie Presse‘ vom 26. Mai 1954 war zu entnehmen, dass bei der Verlegung des KZ-Friedhofs Sierksdorf an der Ostsee eine Erkennungsmarke mit Bonaszewskis Häftlingsnummer 61.723 gefunden worden war. Bei den dort beigesetzten Personen handelte es sich um Opfer, die bei dem Angriff am 3. Mai 1945 auf die Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbek“ getötet und angeschwemmt wurden.[15]

Maria Daniel wurde am 19. Februar 1914 als Tochter christlicher Eltern geboren, sie wohnte an der Dorfstraße in Morsbach bei ihrer Familie und half ihrem Vater bei dessen Handelsgeschäften in Gemünd und Umgebung. Die junge Frau war geistig behindert, was am 20. Mai 1941 dazu führte, dass sie in ein Pflegeheim nach Andernach eingewiesen wurde. Der Anlass für die Einweisung ist nicht bekannt. Wenige Wochen nach ihrer Einweisung nach Andernach, am 20. Juni 1941, wurde Maria Daniel nach Hadamar verlegt und dort noch am selben Tag im Rahmen der sogenannten ‚T4-Aktion‘ ermordet. Das war eine Mordkampagne, der zahllose behinderte Menschen zum Opfer fielen. Kaschiert wurden die Morde als angebliches ‚Euthanasieprogramm‘.[16]

Die Entscheidung, wer getötet wurde, fiel durch ärztliche Gutachtern. Häufig soll nach Aktenlage entschieden worden sein. Einer ersten Kinder-Euthanasie im Jahre 1939 folgte die Erwachsenen-Euthanasie, in der nach Schätzungen rund 70.000 Bewohner von Heil- und Pflegeanstalten in sechs entsprechenden Einrichtungen getötet wurden. Die Opfer wurden häufig in Zwischenanstalten transportiert, um das weitere Schicksal der Patienten zu verschleiern. Aus dem gleichen Grund wurde den Kostenträgern Rechnungen über Wochen und Monate ausgestellt, obwohl die Patienten in Wahrheit kurz nach der Ankunft getötet wurden. Die Angehörigen wurden bis zum Schluss hinsichtlich des wahren Schicksals getäuscht. In Hadamar, wo auch Maria Daniel ermordet wurde, wurden 1941 insgesamt 10.122 Menschen in der Gaskammer ermordet, im Rahmen einer nachfolgenden zweiten Mordphase weitere 4.411 Opfer. Nach Protesten aus Kirchenkreisen und der Angst vor Unruhe in der Bevölkerung sowie angesichts des erfolgten Angriffs im Osten ordnete Hitler am 24. August 1941 das Ende dieser Morde an. In kleinerem Rahmen wurden sie jedoch fortgesetzt.[17]
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[1] Laut Einwohnerliste jüdischer Bürger in Gemünd: gestorben in Theresienstadt. Randvermerk zur Geburtsurkunde: gestorben am 8. Mai 1945, festgestellt durch Entscheidung des Amtsgerichts Schöneberg in Berlin am 22.01.1953. Beurkundet beim Standesamt I in Berlin im Buch für Todeserklärungen Nr. 12982/1953. Laut Bundesgedenkbuch wohnhaft in Berlin, Deportierungsziel ab Berlin 19.02.1943 nach Auschwitz, Vernichtungslager.

[2] Laut Bundesgedenkbuch war Inhaftierungsort zunächst das Zwangsarbeitslager Bardenberg, zuletzt wohnhaft in Köln, ab Köln 20. Juli 1942 nach Minsk, Maly Trostinec/Tötungsstätte; nach anderer Info: Zunächst Deportation nach Theresienstadt, 1942, Minsk – für tot erklärt am 8.Mai 1945 durch AG Köln. Er hatte am 25.Mai 1924 in Gemünd geheiratet.

[3] Für tot erklärt am 8. Mai1945 durch AG Köln. Sie hatte zwei Töchter.

[4] Für tot erklärt am 8. Mai 1945.

[5] Nach anderen Angaben: Deportation nach Theresienstadt, 1942 Minsk und für tot erklärt am 8. Mai1945.

[6] Ab Köln am 11. September 1942 deportiert. Tod am 21. Oktober 1942 in Theresienstadt, Ghetto. Ihre Mutter war nach einer Einwohnerliste Sibille Wolff.

[7] Ihre Mutter war demnach nicht Johanna Scheyer.

[8] Nach einer Angabe der Stadt Euskirchen unter Berufung auf das Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz: Am 15. Juni1942 von Koblenz über Köln und Düsseldorf nach Sobibor deportiert.

[9] Auch hier gilt: Die Eltern waren Jacob und Sibille Scheyer geb. Wolff.

[10] Eltern waren Jacob und Sibille Scheyer, geb. Wolff, die Mutter demnach nicht Johanna Scheyer. Gemeinsam mit dem Ehemann Max Grüneberg am 30. April 1942 von Dortmund-Süd nach Zamosc deportiert. Kein Hinweis im Bundesgedenkbuch zu Theresia. Lisette, geb. 26. Juni 1878 in Gemünd.
Sie war verheiratet mit Magnus von der Zyl. Adelheid Scheyer, (geb. 9. März.1890 in Gemünd). Auch hier gilt zur Mutter: Sibille Scheyer geb. Wolff; nicht Johanna Scheyer geb. Berlin. In einer Liste „Jüdische Bürger von Gemünd“ werden noch weitere Kinder von Jacob und Sibille Scheyer, geb. Wolff genannt: Jeannette Scheyer (geb. am 11.Dezember.1875 in Gemünd, gest. am 29. Januar 1893, David Scheyer (geb. am 12. Juli 1877 in Gemünd). Weiteres nicht bekannt.

[11] Die Gerichtsakten sind verschollen.

[12] Mit dem Erlass zur „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ vom 14. Dezember 1937 wurde es möglich, als ‚homosexuell‘ verurteilte Männer nach ihrer Entlassung aus der Haft der Überwachung durch die Kriminalpolizei zu unterstellen oder sie als ‚polizeiliche Vorbeugungshäftlinge‘ in ein Konzentrationslager einzuliefern. 1940 wurden die Bestimmungen erneut verschärft: Alle Männer, die verurteilt worden waren und mit mehr als einem Partner Kontakt gehabt hatten, sollten nach Verbüßung ihrer Strafe in ein Konzentrationslager überführt werden.

[13] Die Gruppe der homosexuellen Häftlinge hatte im Vergleich zu anderen Häftlingen geringere Überlebenschancen, da sie besonders den Misshandlungen der Wachmannschaften, aber auch den Vorurteilen vieler Mitgefangener ausgesetzt waren und den härtesten Arbeitskommandos zugeteilt wurden.

[14] Der Begriff ‚Evakuierung‘ war im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Umsiedlungspolitik der ersten Kriegsjahre entstanden und hatte sich dann verselbstständigt. Ein großer Teil der deutschstämmigen Rückwanderer aus Ost- und Südosteuropa sollte im neu entstandenen deutschen ‚Warthegau‘ angesiedelt werden, der nach der Besetzung Polens durch die Wehrmacht 1939 im Rahmen der Neugliederung des Landes gebildet worden war. Um die Umsiedler dort ansiedeln zu können, wurden Höfe und Häuser von Juden beschlagnahmt und die Bewohner vertrieben oder ins neue Generalgouvernement ‚evakuiert‘. Dabei wirkten auch viele Männer der NS-Ordensburgen mit.

[15] Mit der jetzt erfolgten Stolperstein-Verlegung wollten die Teilnehmer laut Georg Toporosky besonders an Karl Bonaszewski erinnern, zugleich aber ein Zeichen setzen, dass sie es nicht akzeptieren, wenn heute Menschen wegen ihrer Homosexualität verspottet, angefeindet, verfolgt oder sogar umgebracht werden.

[16] Diesem Verbrechen fielen ab 1940 abertausende Menschen zum Opfer. Überwiegend handelte es sich um Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen, aber betroffen waren auch ‚sozial oder rassisch Unerwünschte‘. Begründet wurde das scheinwissenschaftlich mit Argumenten einer menschenfeindlichen ‚Rassenhygiene‘. Es ging in der Sprache der Nationalsozialisten um die ‚Vernichtung lebensunwerten Lebens‘. Vorgeschoben wurden auch materielle Gründe, etwa angeblich untragbar hohe Heim- und Pflegekosten. Die Durchführung der Ermordungen wurde von Hitler 1939 angeordnet.

[17] Die Nachkriegs-Justiz scheiterte weitgehend beim Versuch, die Verbrechen aufzuklären und sie zu ahnden. Nur wenige Täter im Euthanasieprogramm wurden rechtskräftig verurteilt.

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