An drei Stellen in Gemünd verweist die Stadt auf den früheren Standort der Synagoge: Nahe der Kreuzung erinnert eine Stele an das jüdische Gotteshaus und seine Zerstörung bei dem November-Pogrom 1938; unmittelbar am früheren Standort findet man eine der Tafeln des Stadtrundganges, die weitere Informationen beisteuert. Seit Dienstag, 12. Juni 2019, hat nun auch die 1979 nahe am ehemaligen Standort an einer Mauer angebrachte Erinnerungstafel einen würdigen Platz gefunden. Sie musste als Folge einer Baumaßnahme an anderer Stelle neu befestigt werden. In kleinem Rahmen wurde dieser älteste Hinweis im Stadtbild am neuen Standort jetzt nochmals seiner Bestimmung übergeben.
Sowohl der nun auf einem Privatgrundstück auf der gegenüberliegenden Straßenseite gefundene Aufstellungsort als auch die neue Gestaltung der Befestigung tragen zur Verbesserung der Gesamtsituation bei. Nun ist die Tafel in einem stabilen Rahmen fest im Boden verankert und optisch aufgewertet. Erstmals wird dieses Memorial nun tatsächlich für Passanten gut sichtbar in den Blick gerückt.
Eine ganze Reihe von Akteuren hatte sich für die Neuaufstellung ins Zeug gelegt. Bürgermeister Ingo Pfennings und Sophia Eckerle von der Stadtverwaltung hatten bei der Suche nach einem neuen Standort in dem aus Gemünd stammenden Bundestagsabgeordneten Markus Herbrand einen aktiven Mitstreiter gefunden. Er ebnete den Weg für die Aufstellung auf dem Grundstück Dahmen. Der Schmiedemeister Max Harth gestaltete fachmännisch die neue Befestigung, die der städtische Bauhof schließlich am neuen Standort anbrachte.
Zu der Veranstaltung spielte der Mechernicher Saxophonist Markus Lorse einige sehr passende Musikstücke. Unter den Teilnehmern waren auch etliche Mitglieder des Geschichtsforums Schleiden.
Die Synagoge stand an der Kreuzbergseite der früheren Mühlenstraße, heute Kreuzbergstraße 12. Die im 19. Jahrhundert spürbar gewachsene jüdische Gemeinde hatte die kleine Landsynagoge 1874 erbaut, nachdem vorher provisorische Bet- und Versammlungsräume genutzt worden waren. Aus Kostengründen war das neue Bauwerk nur sparsam geschmückt worden, selbst auf den sonst üblichen Einbau einer gewölbten Decke hatte die Gemeinde verzichtet. Das Gebäude bot 90 Sitzplätze für Männer im Betraum und weitere 30 Plätze für Frauen auf der Empore. Das war hinreichend Platz für die jüdische Gemeinde, die um das Jahr 1880 knapp 80 Mitglieder hatte. Das „Unterhaltungsblatt“ wusste in der Ausgabe vom 6. März 1874 zu berichten, dass die Einweihung unter Teilnahme der nichtjüdischen Bevölkerung in würdigem Rahmen stattgefunden habe. Das Blatt betonte das herzliche Einvernehmen zwischen allen Konfessionen in Gemünd. Allerdings wurde die jüdische Bevölkerungsgruppe in den folgenden Jahrzehnten zahlenmäßig deutlich kleiner. 1911 lebten in Gemünd nur 51 Juden, 1933 noch 34.
Ab 1933 setzte die Drangsalierung der Juden ein und erreichte örtlich mit dem Pogrom in der Nacht zum 10. November 1938 einen vorläufigen Höhepunkt. Geschäfte wurden verwüstet, Juden wurden misshandelt, und die Synagoge wurde gemäß einer Anordnung des Propagandaministers Joseph Goebbels an die Parteidienststellen im Reichsgebiet zerstört. Als Vorwand nutzte Goebbels die Ermordung des Legationssekretärs Ernst vom Rath in Paris.
Die Stapo-Leitstelle in Aachen informierte am Abend den Regierungsoberinspektor Kummer im Landratsamt in Schleiden darüber, dass bis zum folgenden Morgen alle Synagogen im Kreis Schleiden zu zerstören seien. Den Befehl leitete Kummer an den Amtsbürgermeister Wilhelm Fischer in Blumenthal weiter, der zugleich NSDAP-Ortsgruppenleiter und führender SD-Vertreter im Kreis Schleiden war. Die Umsetzung der Anordnung übernahmen NS-Funktionäre aus der Region, aber ebenso spielten auswärtige Täter eine aktive Rolle. In Gemünd waren das beispielsweise Akteure der NS-Ordensburg Vogelsang. Auch Einheimische nahmen aktiv an den Ausschreitungen teil. Der Feuerwehr untersagte der damalige Ortsgruppenleiter der NSDAP und Chef der Gemünder Feuerwehr, Heinrich Lintzen, jeden Versuch, die Synagoge zu retten. Zwar wurden die Schläuche ausgerollt, aber Löschversuche unterblieben.
Ein Bild aus dem Nachlass des Fotografen Herbrand zeigt den Zustand der ausgebrannten Synagoge am Morgen des 10. November 1939: Die Schläuche liegen noch, Feuerwehr- und Polizeiangehörige sind noch am Ort. Das Bild suggeriert Normalität bei Brandeinsätzen; aber davon konnte 1938 keine Rede sein. Lintzen wurde nach 1945 wegen der Beteiligung an der Brandstiftung der Synagoge zu einer eher milden Strafe verurteilt. Beteiligt waren jedoch auch andere aus dem Schleidener Land. Die jüdische Gemeinde wurde nach 1939 praktisch ausgelöscht, nur wenige überlebten den Krieg.
Der Bundestagsabgeordnete Markus Herbrand hatte sich sehr engagiert in die Suche nach einem neuen geeigneten Aufstellungsplatz eingebracht. Er ergriff auch selbst als Bundespolitiker das Wort.
Die nun wesentlich besser als vorher platzierte Erinnerungstafel verhehlt nicht, dass sie zu einem recht frühen Zeitpunkt 1979 erstellt wurde. Die Verantwortung für das Geschehen wird eher anonymen Elementen zugeschoben, die eigene Verantwortung für das Geschehen hingegen verschleiert. Der Text gibt nur sehr vage und allgemein an, dass die Tafel für die Juden errichtet worden sei, die „in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ihr Leben verloren haben“. Die Beteiligung der regionalen Akteure wird verschwiegen.
Womöglich wäre es mittelfristig sinnvoll, im Tafeltext auch auf die Mitverantwortung der Region hinzuweisen und sich klar zu bekennen.