Aus der Bilderkiste – Kapelle Kerperscheid

Kleinod und Dorfmittelpunkt In vier Höhenorten rund um Schleiden sind im vorigen Jahrhundert Kapellen erbaut worden: in Bronsfeld, Ettelscheid, Kerperscheid und Scheuren. Die älteste davon entstand ausgerechnet im (mit Abstand) kleinsten der vier Orte; nämlich in Kerperscheid.

Schon im Jahre 1910 schlossen sich dort engagierte Bewohner zu einem Kapellenverein zusammen. „Er hatte den Zweck, den Kapellenbau zu finanzieren und die Kapelle zu unterhalten“, wie es in einem Rückblick von 1938 hieß.  Das älteste schriftliche Dokument des Vereins– festgehalten im noch heute erhaltenen Kapellenbuch – stammt vom 28. Februar 1912 und nennt elf Männer und zwei Frauen als Mitglieder: Arnold Groß, Hubert Haas, Peter Josef Söns, Stephan Cremer, Josef Hansen, Paul Abel, Anton Groß, Heinrich Pütz, Peter Josef Pützer, Peter Josef Pütz, Katharina Pitsch, Katharina Groß, Michael Maier.

Sie hatten durch eifrige Sammlungen „von Tür zu Tür“ sowie durch Spenden von Auswärtigen innerhalb von zwei Jahren bereits einen Betrag von 3021Mark und 44 Pfennige aufbringen können. Obwohl dies noch nicht hinreichend war, begann man 1913 mit dem Bau der Kapelle. Dazu hatte der Vorstand zusätzlich eine Anleihe von 1000,- Mark bei Wilhelm Heinen aus Eichen (bei 4,5% Zinsen) aufgenommen.

Soweit eben möglich wurden die Arbeiten in Eigenregie durchgeführt. Bei den notwendigen Handwerkerarbeiten entschied man sich bewusst für Firmen aus der direkten Umgebung:

Die Kapelle wurde dann noch vor dem 1. Weltkrieg von Schleidens Oberpfarrer Carl Wilhelm Peters unter dem Patronat von Mara Hilf eingeweiht. Aus der Frühzeit sind noch der 1916 entstandene Altar sowie die Glocke mit der Inschrift „Ite ad Josephum“ (Gehet zu Joseph) erhalten. Während des Ersten Weltkriegs wurde täglich in der Kapelle der Rosenkranz gebetet. Die erste Messe hielt im Herbst 1920 der Schleidener Oberpfarrer Otto Frings, kurz nachdem dieser seine Tätigkeit in Schleiden aufgenommen hatte. In den folgenden Jahren bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs feierte der jeweilige Schleidener Pfarrer einmal monatlich eine Messe in der Kapelle.

1938 fassten die Mitglieder den Beschluss, das Kapellengrundstück mit einer Betonmauer und darauf aufsitzendem Zaun einzufrieden. 1941 war das Dach reparaturbedürftig. Ob es noch zu einer Reparatur kam, ist ungewiss, denn das Kriegsgeschehen rückte in der Folgezeit immer näher. Aber noch am 1. Weihnachtstag 1944 konnte Dechant Neujean in Kerperscheid eine hl. Messe feiern, als Schleiden selbst nach der Bombardierung in den Tagen zuvor schon weitgehend in Schutt und Asche lag.

Bei der Versammlung im März 1946 beschloss der Verein zwar, „die Kriegsschäden …so weit wie möglich zu beheben“, damit war vor allem die Erneuerung der kriegszerstörten Fenster gemeint; doch stand in der Nachkriegszeit natürlich zunächst der Wiederaufbau im privaten Bereich im Vordergrund. Die jährlichen Versammlungen fanden nur noch unregelmäßig statt, bis Anfang der 60er Jahre die Schäden unübersehbar waren. Außenputzarbeiten, Dachreparaturen sowie die Erneuerung von zwei Fenstern wurden 1962 vorgenommen. Doch erst 1966 begann eine neue Phase – ausgelöst durch eine Aufforderung des Finanzamtes, eine neue Satzung vorzulegen und die Eintragung ins Vereinsregister vornehmen zu lassen, denn „praktisch wurde das Vereinsleben so gestaltet, als handle es sich um einen nicht eingetragenen Verein“. Den Gedanken, auf die Rechtsfähigkeit als Verein zu verzichten, konnten die Mitglieder nicht weiterverfolgen, da der Verein das Kapellengrundstück besaß. Motor des Neuanfangs war Karl Groß, unter dessen Vorsitz dann im November 1966 die neue und bis heute gültige „Satzung des Kapellenvereins Maria Hilf Kerperscheid/Eifel“ beschlossen wurde.   

Eine erneute Aufwertung gelang dann 1975 mit dem Erwerb einer Orgel. In der Chronik der Kapelle zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Schleckheim-Nütheim (im Süden der Stadt Aachen) lesen wir: „1952 Anschaffung einer Orgel aus Privathand, gebaut 1948 von der Firma Steinmann aus Vlotho-Wehrendorf… 1973 wurde die Orgel durch Einweihung einer neuen elektronischen Orgel ersetzt.“ Die nicht mehr benötigte Orgel wurde dann 1974 dem Kapellenverein Kerperscheid geschenkt. Die Orgel wurde von den Brüdern Willi, Karl und Josef Dederichs abgebaut, nach Kerperscheid transportiert und wieder zusammengebaut. Letztgenannter hatte durch seinen Beruf die entsprechenden Fachkenntnisse. Jahrzehntelang war er als Organist in der Schleidener Pfarrkirche tätig. Bei den jährlichen Messen wurde die Orgel von Ruth Irmgard Friderici gespielt, bis sie 1994 aus Altersgründen ihre Tätigkeit aufgeben musste.

Doch nach fast 90 Jahren zeigten sich um die Jahrtausendwende die Spuren des rauen Eifelklimas. Stürme und ein Blitzeinschlag hatten die Turmspitze und das Gebälk getroffen. Eine grundlegende Renovierung war unumgänglich. Das Tonnengewölbe erhielt im Rahmen dieser Arbeiten eine verzinkte Stahlarmierung, alte Putz- und Farbreste sowie Risse im Gewölbe wurden aufwändig entfernt; den Altarraum schachtete das engagierte Arbeitsteam aus und verfüllte ihn mit Schotter; die Fenster – einige davon stammten noch aus dem Jahr 1930 – baute man aus und restaurierte sie durch eine neue Bleieinfassung, Holz- und Fliesenarbeiten für den Innenraum kamen dazu, damit im Mai 2002 der neue Altartisch seinen Platz finden konnte. Eine besondere Veränderung erfuhr die Orgel, die vorher an der linken Seite des Eingangs positioniert war und daher Raum und Licht in Anspruch nahm. Ihre Restauration bedeutete eine besondere Herausforderung, hatte man sich doch entschlossen, sie nicht nur zu restaurieren, sondern auch nach oben über dem Eingang zu positionieren. Dazu musste sie in alle Einzelteile bis in die einzelnen Gelenke und Filzdichtungen zerlegt werden, diese wurden gereinigt und dann wieder zusammengesetzt und in der neuen Position angebracht. Der Spieltisch kam auf die linke Seite, dazu hatte Karl Dederichs eine so genannte Nachtigall gebaut, mit welcher zusätzlich zum Orgelspiel ein Vogelgezwitscher nachgeahmt werden kann (laut Wikipedia eine der ganz wenigen Orgeln mit Nachtigall-Register). Zusammen mit den drei Zimbelsternen, die sich beim Orgelspiel oben im Prospekt drehen, ist die Orgel so zu einem absoluten Kleinod geworden; etwas Vergleichbares gibt es zumindest in der näheren Umgebung nicht.

Am 8. September, dem Fest Maria Geburt, des Jahres 2002 fand dann die feierliche Wiedereröffnung der Kapelle statt. Dechant Philipp Cuck hielt die erste Messe und segnete den neuen Altartisch sowie das Marienbildnis ein. Die Kapellengemeinde übereichte ihm das Missale Romanum, welches durch die Liturgiereform des 2.Vatikanischen Konzils außer Kraft getreten war, für das Pfarrarchiv. Die kleine Kapelle konnte an diesem Tag die Besucher kaum alle fassen.

Im Jahre 2018 konnte dann auch ein Generationswechsel vollzogen werden: der langjährige frühere Vorstand (Karl Dederichs/1.Vors., Siegfried Berndt/stellv. Vors. und Hermann Groß/ Kassierer) wurde verabschiedet und eine neue Führungscrew gewählt: Markus Dederichs/ 1.Vors., Christine Victor/ Stellv. Vors. und Carola Berndt/Kassiererin. Und auf diese kamen bald neue Aufgaben zu: Der Kapellenverein übernahm das Nachbargrundstück der Kapelle im Erbbaurecht und richtete dort einen Mehrgenerationenplatz ein, verpflichtete sich im Gegenzug zur Pflege der Grünanlagen im Ort.
Mit berechtigtem Stolz können die Kerperscheider auf ihre nun 112jährige Kapelle blicken. Sie ist nicht nur Mittel- und Treffpunkt für die Bewohner, sondern ein Glanzstück unter den Gotteshäusern im Schleidener Stadtgebiet.

Ein Beitrag von Norbert Toporowsky. Quellen: H.P. Schiffer, Kirchen und Kapellen im Stadtgebiet Schleiden, Kall 2002; Kapellenbuch und weitere Dokumente des Kapellenvereins Kerperscheid, Mitteilungen von Karl und Markus Dederichs
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