Aus der Bilderkiste – Lohe schälen in der Eifel

Weite Teile der Eifeler Berghänge waren in früherer Zeit mit Eichen-Niederwald bewachsen. Eine landwirtschaftliche Nutzung war in dem meist unwegsamen Gelände, auch wegen seiner kargen und ertragsarmen Bodenverhältnisse, nicht möglich. Stattdessen lieferten junge Eichenbestände, die sich in diesem felsigen, unfruchtbaren Gelände ausgebreitet hatten, wertvolle Naturprodukte – für die ärmliche Landbevölkerung ein Nebenerwerb und eine Aufbesserung ihrer dürftigen Einkommens- und Lebensverhältnisse.

(1) Maria und Barthel Röhl beim Loheschälen im Kermeter.

Insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert war die Rinde junger Eichen ein bedeutender Rohstoff für die Lohgerberei und zur Produktion von Leder. Sobald im Mai der Safttrieb einsetzte bzw. „wenn die Lohe geht“, wie es im Volksmund hieß, begann die Arbeit der Lohe-Schäler. Bis Mitte Juni musste diese Arbeit abgeschlossen sein, da dann der Saft in den Stämmen zu trocknen begann und die Rinde sich nicht mehr so leicht vom Stamm lösen ließ. Anschließend wurde mit einem sogenannten Lohe-Löffel, einem 25 bis 30 cm langen, an der Spitze löffelförmig verdickten Messer, die Rinde der noch stehenden Eichen aufgeschlitzt – und zwar so hoch, wie die Arme des Schälers reichten. Dann löste man die Rinde mit dem Löffelkopf rundum vom Stamm und schnitt sie in Mannshöhe von der höheren Rinde ab (s. Abb. 1). Anschließend wurden die Bäumchen gefällt, und auch der Rest der Rinde, der vorher vom Boden nicht erreichbar war, vom Stamm gelöst (s. Abb. 2 und 3). Die geschälte Eichenrinde wurde gebündelt und im Wald zum Trocknen aufgestellt (s. Abb. 5), bevor sie später zur Gewinnung von Gerbstoffen an die Gerbereien für die Lederherstellung ausgeliefert wurde.

Für den Eigenbedarf hatten die geschälten Eichenstangen noch eine ganz andere Verwendung: Wegen ihrer hohen Heizqualität waren sie ein begehrtes Brennholz für den Küchenherd und den Ofen in der „guten Stube“.

Der Aufwuchs eines Eichen-Niederwaldes, auch Stockausschlag genannt, dauerte je nach Standort und Bodenqualität 20 bis 30 Jahre bis zum nächsten Schälen und Fällen.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts war die Lohgerbung hierzulande weitverbreitet, nahm aber dann infolge einschneidender Neuerungen und technischer Veränderungen bei den Gerbereien kontinuierlich ab. Die aus Übersee importierten Gerbmittel waren billiger und hatten infolge einer verkürzten Gerbzeit eine schnellere Lederproduktion zur Folge. Als später auch noch die Verwendung künstlicher Gerbstoffe hinzukam, war dies erneut ein herber Rückschlag – aber noch nicht das endgültige Aus der Branche. Ein zuverlässiger Abnehmer war die Deutsche Wehrmacht, die wegen der bewährten Lederqualität weiterhin das Schuhwerk für die Truppe nach dem früheren Verfahren bezog.
Die wohl letzten Lohe-Schäler in hiesigen Wäldern waren in den 1960er-Jahren anzutreffen. Vereinzelt erinnern noch heute alte Wurzelstöcke auf den Flächen des ehemaligen Eichen-Niederwaldes an diese längst vergangene und kaum mehr bekannte Form der Waldnutzung.

Ein Beitrag von Alfred Käßbach

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